Zum Gedenken an Charles Werabe
Großes Bündnis in Limburg erinnerte an den rassistischen Mord im Oktober 2014
27.10.2024 cvdressler Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Zum 10. Todestag von Charles Werabe fand am 23. Oktober 2024 um 17 Uhr eine Gedenkdemonstration am Bahnhofsvorplatz in Limburg statt. Nach einer Zwischenkundgebung am Kornmarkt zog die Demonstration als Schweigemarsch zur Brückengasse weiter.
Im Rahmen der Veranstaltung hielten folgende Personen Redebeiträge:
- Ulrich Muth (Stadtrat, Vertreter der Stadt Limburg)
- Harff-Dieter Salm (Bündnis Courage gegen rechts)
- Sascha Schmidt (DGB-Gewerkschaftssekretär und Autor des Buches „Rechter Terror in Hessen“)
- Mustafa Yüce (Vorsitzender des Ausländerbeirates Limburg)
- Pfarrer Andreas Fuchs (Vorsitzender des Caritasverbands für den Bezirk Limburg)
- Pfarrer Johannes Jochemczyk (Dekan Evangelisches Dekanat an der Lahn)
Das Gedenken in der Brückengasse wurde musikalisch von Uwe Wagner, Michael Herden und Martin Reuß begleitet.
Die Rede unseres Dekans im Wortlaut:
10 Jahre ist es nun her, als das Drama seinen Lauf nahm. 10 Jahre schon wird an dieses Gewaltverbrechen erinnert. 10 Jahre wird Charles Werabe gedacht.
Ich selber kannte ihn gar nicht. Da wird es mir gehen, wie den meisten von ihnen. Ich kenne ihn nur aus dem Wenigen, was man über ihn lesen kann. Ich bleibe hängen an seinen Namen auf der Gedenktafel, höre was andere von ihm erzählen. Er war ein Mann in meinem Altar, auf der Suche nach seinem gelingenden Leben, ein Leben, was auf tragische Weise am 23. Oktober 2014 endet, er stirbt an den Verletzungen, nachdem er brutal zusammen geschlagen wurde.
Wenn ich lese und höre, was erzählt wird, entstehen in mir Bilder. Da sind drei Männer, betrunken. Dazu hasserfüllt. Drei Männer, die auf Charles Werabe einschlagen, ihn verprügeln, auf ihn eintreten, drei Männer.
Und dann liegt da Charles Werabe auf dem Boden, ich stelle mir vor: blutüberströmt. Dieses Bild erinnert mich an eine Erzählung. Und ein Zitat aus dieser Erzählung klingt in meinem Ohr.
„Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.“ Es ist ein Satz aus der Geschichte vom barmherzigen Samariter, die ich schon so oft gehört habe, die ich schon sooft erzählt habe, die ich - selbst noch ein Kind - damals schon in der Grundschule gemalt habe. Eine brutale Geschichte. „sie schlugen ihn, machten sich davon und ließen ihn halbtot liegen.“
Und dann geht einer vorbei und ein zweiter geht vorbei und sie lassen den Mann, halbtot, dort liegen. Dann erst kommt jemand, der sich erbarmt. Der stehen bleibt, sich zuwendet, die Wunden verbindet, sich kümmert, ein Samariter. Und die Geschichte nimmt eine Wende und ein gutes Ende. Der Mann wird gerettet, er überlebt. Der Mann dieser Erzählung überlebt, weil ihm jemand sein Nächster wurde, weil der barmherzige Samariter sich um ihn kümmerte. „So geh hin und tue desgleichen!“ sagt Jesus zum Schluss der Geschichte und hinterlässt eine Aufgabe.
Ach, wenn es doch so einfach wäre. Denn Charles Werabe hat sicherlich damals Hilfe erfahren, ob Samariter, Johanniter oder Rotes Kreuz, ob dieser oder jene, da ging sicher niemand einfach so vorbei, aber da kam jede Hilfe zu spät, da gab es keine Rettung mehr. So geh hin und tue desgleichen, hilft hier nicht mehr. Das Gedenken all die Jahre und auch heute macht Charles Werabe nicht wieder lebendig. Aber wenn das Gedenken an ihn nicht nur ein Zeichen sein soll, mit dem wir sagen, so etwas tolerieren wir nicht, für Gewalttaten, aus welcher Motivation auch immer, soll hier kein Platz sein, wenn das Gedenken an ihn Jahr für Jahr nicht nur Betroffenheit generieren soll, damit wir dann in Betroffenheit auseinander gehen, dann müssen wir uns die Frage gefallen lassen, was können wir denn dann überhaupt noch tun?
Wenn Menschen anderen Menschen Gewalt antun, dann ist das oft ein Zeichen von Schwäche, auch ein Zeichen von Ohnmacht, manchmal auch ein Zeichen von Minderwertigkeit. Gewalt suggeriert dann Stärke, überspielt aber die eigene Schwäche. Unser Aufgabe könnte von daher sein: Menschen zu stärken, um sie vor Gewalt zu bewahren, Menschen zu stärken, damit sie nicht aus reiner Minderwertigkeit ihre Stärke in der Gewalt suchen. Menschen zu stärken, indem man ihre Würde stärkt, sie nicht würdelosen Situationen aussetzt oder sie gar in würdelose Situationen hineinführt.
Und das gilt für das tägliche Miteinander, wie auch für wichtige Entscheidungen auf politischer Ebene. Denn die Würde des Menschen ist unantastbar, so heißt es in unserem Grundgesetz. Religiös gesprochen, würde man hinzufügen, weil er ein Geschöpf Gottes ist, nach seinem Ebenbild geschaffen. - Menschen werden stark, indem man Sie würdigt. Als Menschen, unabhängig von Rasse, Nation, Geschlecht.
Wäre das nicht eine mögliche Antwort auf die Frage, was wir tun können? Beten wir mit Jesu Worten gemeinsam. Nehmen wir in unser Gebet Charles Werabe mit hinein: Vater unser
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