GRUSS ZUM SONNTAG
Billige Bratwurst, hohe Nebenkosten
Collage: Peter Wagner08.07.2020 dr_pw Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
In der politischen Talkshow „Hart aber fair“ am 22.06.2020 zu dem Thema „Massenerkrankung in der Fleischfabrik - Gefahr fürs ganze Land?“ kam ein katholischer Pfarrer zu Wort, Prälat Peter Kossen aus Lengerich in der Nähe von Gütersloh. Es war beeindruckend, wie schonungslos er die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie benannte. Er erzählte von seinen Erfahrungen mit Menschen aus Osteuropa, die regelmäßig 250 Stunden im Monat in der Fleischzerlegung arbeiteten. Diese Leute bezahlten für eine erbärmliche Unterkunft mindestens 250 Euro. Dabei komme es vor, dass drei Leute im Schichtbetrieb eine Matratze benutzten.
Hinzu kommen Kosten für den Transport zum Arbeitsplatz. Er kommentierte auch die Stellungnahme des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies, der sagte: „So werden wir nicht weitermachen … Wir werden diese Branche verändern.“ Prälat Kossens Kommentar: „Man kann mit der Mafia nicht die Mafia bekämpfen.“ Er spreche nicht nur von Herrn Tönnies, sagte Peter Kossen und erläuterte: „Ich traue auch anderen Entscheidern in der Branche ähnlich wenig Gutes zu. Das bringt überhaupt nichts, die Täter jetzt zu Saubermännern oder vielleicht sogar zu Opfern zu machen. Da müssen wir schon aufpassen, wer Täter und wer Opfer ist. Die Sklaven sind die Opfer und die Sklaventreiber sind die Täter.“
Doch nicht nur Menschen leiden unter den Verhältnissen in der Fleischindustrie. Und nicht nur Schlachttiere leiden unter den Bedingungen in der Massentierhaltung. Ein ganzes Umfeld ist betroffen. „Ich komme aus einer Gegend, wo einfach auch der Boden, wo das Wasser, wo die Luft in Mitleidenschaft gezogen werden, weil dort eben auch so viel billiges Fleisch produziert wird. Die Landwirte können davon nicht leben und schon lange nicht die Leute in der Fleischindustrie, die dort die schwere Arbeit tun. Die billige Bratwurst auf dem teuren Grill hat ganz hohe Nebenkosten“, sagte Pfarrer Kossen.
Nicht jeder hat den Mut und das Rückgrat dieses Pfarrers, der Missstände beim Namen nennt und klar Position bezieht um des Evangeliums willen. Manchmal ist es schon genug, mit Mensch und Tier mitzufühlen. Mitgefühl ändert viel, denn es vermag unser Verhalten zu ändern. Dann werden aus „Drecksarbeitern und Billiglöhnern … Mitbürger“, wie Peter Kossen sagt. Dann werden aus Schlachttieren Geschöpfe Gottes mit Wert und Würde.
Am Ende profitieren wir alle, wenn wir aufhören, die Augen vor dem Leid von Menschen und Tieren zuzumachen. Denn unsere Welt wird dadurch lebenswerter.
Pfarrerin Claudia Gierke-Heinrich, 04.07.2020
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