Kerzen im Advent
10.12.2022 / Dekan Manfred Pollex
An einem einzigen Tag werden in der Frankfurter Liebfrauenkirche bis zu 1200 kleine Kerzen angezündet. Viele Menschen sind dort in der nahe gelegenen Fußgängerzone unterwegs. Sie gehen zur Arbeit, kommen vom Dienst, einige haben nichts zu tun, andere müssen zu viel arbeiten. Sie tragen eine Aktentasche, sie tragen Einkaufstaschen, sie schleppen große Tüten aus den nahe gelegenen Kaufhäusern, sie kommen gerade von der Speisung für Wohnsitzlose im Kapuzinerkloster. Im Vorübergehen zünden sie ihre Kerze an, sie bleiben länger. Sie stehen, sie knien, sie beten.
An vielen Orten der Welt gedenken Menschen ihrer Lieben, suchen die Nähe zu Gott, indem sie eine Kerze anzünden. Ob in der Autobahnkirche oder in der Kapelle am Wanderweg, die Kerze spendet Licht. Sie ist darüber hinaus ein Sinnbild für Helligkeit, Erleuchtung, Klarheit. Die Kerze ist aber ebenso ein Zeichen für Hingabe, Hingeben, Sich-Verzehren, kleiner werden, einverstanden sein. Die Kerze hat keine Worte, aber sie spricht eben doch. Irgendwie ist sie ein Geheimnis.
In La Salette, einem französischen Wallfahrtsort, wird dem Besuchenden beim Entzünden der Kerze ein Gebet vorgeschlagen: „Ich kann nicht beten. Darum komme ich, um wenigstens eine Kerze anzuzünden. Ich weiß, eine Kerze ist kein großes Opfer. Sie ist fast nichts von mir, fast nichts von meiner Arbeit, von meinem Geld, denn sie kostet nicht einmal so viel wie eine einzige Mahlzeit. Sie ist nur ein Zeichen. Das Zeichen, dass ich einige Augenblicke schweigend vor Dir, Gott, bleiben will. Ein Zeichen, dass ich gekommen bin, weil ich weiß, dass Du hier bist. Du siehst mich, bist nicht fern meinem Leben. Nicht fern dem, was mein Anliegen ist. Ich biete Dir diese Kerze an, weil ich weiß, dass alles, was ich jeden Tag benötige, von Dir kommt. Ich weiß es, seit Jesus, Dein Sohn, mich gelehrt hat, von Dir alles zu erbitten.“
Am Sonntag feiern wir den Dritten Advent. Drei Kerzenlichter werden auf dem grünen Kranz ihr Licht ausbreiten. Sie wollen von ihrer ursprünglichen Bedeutung her mehr erzeugen als Gemütlichkeit und Herzenswärme. Das Licht leuchtet den Weg auf Weihnachten zu, dem Geburtsfest Christi. Als Kind habe ich noch gelernt: Keine Kerze brennt auf dem Adventskranz ohne dass ein Lied gesungen wird: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit…“ Die Kerzen haben keine Worte, aber sie sprechen eben doch. Hören wir noch ihre Botschaft?
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