Evangelisches Dekanat an der Lahn

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    Arroganz der Gesunden?

    20.08.2022 / Dekan Manfred Pollex

    Es gibt Mitmenschen, die schaffen es, Woche für Woche ein volles Sportprogramm durchzuziehen. Sie nutzen die Fitnessuhr am Oberarm, kennen ihren Belastungs- und Ruhepuls. Den wollen sie senken, denn das ist gesund. Sie haben irgendwo gelesen, dass Leute, die Ausdauersport treiben, im Alter weniger an Alzheimer leiden.

    Und dann die Ernährung – eine Wissenschaft für sich. Kein Fleisch, keinen Zucker, weg mit den Kohlenhydraten. Gemüse, kalt gepresstes Olivenöl, Smoothies. Ich finde diesen gesunden Lebensstil lobenswert und beobachte gleichzeitig, dass sich da eine neue Elite etabliert hat. Optimal für ein langes und gesundes Leben eingestellt, schön, gesund und auch noch schlank, mager, laufen sie uns Mittelmäßigen, Unsportlichen, Übergewichtigen mit Arthrose in den Knien einfach leichtfüßig davon.

    Hier und da wird die Forderung laut, dass man für diesen besonderen Lebensstil durch geringere Krankenkassenbeiträge belohnt werden solle. Wer sich ungesund verhält, zu viel und falsch isst, sich kaum bewegt, raucht und trinkt, verhält sich doch unsolidarisch. In der Schweiz zum Beispiel finden mehr als 70 Prozent der Befragten, dass man für die eigene Gesundheit in erster Linie selbst verantwortlich ist. Wer krank wird und früher stirbt ist also selber schuld?

    Natürlich kann viel getan werden, um die eigene Gesundheit zu fördern. Zähneputzen hilft gegen Karies, Nichtrauchen gegen Lungenkrebs. Gemüse und Bewegung sind gut. Aber es ist doch eine Illusion zu glauben, man könne sich seine eigene Gesundheit erarbeiten. Die ist uns gegeben, ein Geschenk, unverfügbar, einfach nur Glück: Glück in der Lotterie der Erbkrankheiten und Gene, Glück, nicht an einer abgasverseuchten Straße aufzuwachsen, Glück, in der Pandemie nicht lebensbedrohlich zu erkranken oder gar zu sterben. Glück, wenn man sich beim Training nicht das Kreuzband abreißt, Knochen bricht oder sich beim Fahrradsturz eine Rippe in die Lunge bohrt. Glück, Fügung, Gottesgeschenk, wer davon verschont bleibt. Glück, wer mit guten Erbanlagen geboren wurde, behütet und gefördert aufwachsen konnte, verschont von Krieg und Hunger, wer eine gute Ausbildung machen konnte und sich über ein reichliches Einkommen freuen kann.

    Die Idee, Krankenkassenbeiträge dem Lebensstil anzupassen, ist deshalb zu kurz gedacht. Unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt bekommt es besser, wenn wir uns ab und zu unser Glück, unser Lebensgeschenk, Gottesgabe, vergegenwärtigen und darüber ein Mitgefühl denen gegenüber entwickeln, denen das so nicht vergönnt ist. Das Prinzip der Solidarität sollten wir nicht vorschnell über Bord werfen. Sonst öffnen wir der Missgunst und Spaltung Tor und Tür. Solidarität heißt, jeder von uns gibt nach seinem Vermögen, damit für den genug da ist, der durch Krankheit und Not etwas braucht. Wie schnell kann ich das selber sein. Die Bibel nennt das Nächstenliebe.

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